Kauft mehr Kinder!



Ich hatte diesen Traum letzte Nacht. Im Traum war alles ganz klar und einfach.

Als ich aufwachte befand ich mich im Jahr 2044, es stand auf dem Kalender. Ich brauchte eine Weile um mich zurecht zu finden. War ich doch im Jahr 2006 eingeschlafen.

Sicher war dies ein Traum, das musste ein Traum sein. Wann hatte ich sonst die Möglichkeit das Jahr 2044 zu besuchen.

Überall hingen in unterschiedlichsten Varianten Plakate;

Kauft mehr Kinder!


Eine Kampagne um den Kauf von Kindern zu fördern, getragen von den großen Parteien, der evangelischen und der katholischen Kirche, dem Arbeitgeberverband und dem DGB.

Im Jahr 2044 kauften verantwortungsbewusste Eltern ihre Kinder von professionellen Firmen im Ausland ein. Dies war hygienischer, sauberer, billiger und effizienter als die Kinderproduktion in Heimarbeit. Früher waren Kinder im Bett im Schlafzimmer gezeugt und geboren wurden, eine Vorstellung, die Vielen im Jahr 2044 unvorstellbar vorkam.
Und für die Frauen war es wesentlich weniger belastend. Die professionellen Gebärerinnen im Ausland wurden medizinisch optimal überwacht und wurden für ihren Job gut bezahlt.

97% aller Kinder wurden im Jahr 2044 in Deutschland bereits professionell produziert.
Die Kampagne sollte die Bereitschaft zum Kinderkauf weiter erhöhen.

Gleichzeitig war ein Gesetz gegen unkontrollierte Schwangerschaften von der CDU eingebracht worden. Diese Rückfälle in die alten Zeiten der Subsistenz-Kinderproduktion ohne Qualitätsmanagement waren im Interesse des Kindes nicht mehr hinnehmbar.
Die Geburt eines Kindes aus dem Schmutz eines unkontrolliert kopulierenden Leibes war Sinnbild der Rückschrittlichkeit und der Asozialität.

Verantwortungsbewusste Eltern kaufen sich ihre Kinder bei einem der großen seriösen Kinderzuchtkonzerne.


Dies war auch ein Gebot christlicher Ethik, hat doch das Christentum die unzüchtige Form der Geburt aus dem Mutterleib schon immer als Erbsünde verdammt.
Kinder, die gekauft wurden, waren hingegen auf dem Dritten Warschauer Konzil 2034 als frei von Erbsünde erklärt worden. Zwar wurden auch diese Kinder von einer Frau geboren, da die Frauen dies aber als Auftragsarbeit erledigten, galt diese Form der Empfängnis und Geburt der katholischen Kirche seit dem Dritten Warschauer Konzil als ein Zustand des nicht geboren worden seins und damit der Schuldlosigkeit im Anlitz Gottes.
Die Auftragsproduktion der Gebärerinnen galt als vergleichbar mit der Geburt Marias, der Mutter Gottes, die ja auch eine Auftragsproduktion darstellte - für den Heiligen Geist -. Damit dann die geborene aber unbefleckt empfangene (1) Maria später das Jesus-Kind gebären konnte.

Deshalb waren gekaufte Kinder nach der katholischen Ethik, da frei von Erbsünde, Kindern, die im Schmutz des mütterlichen Leibes geborenen wurden, vorzuziehen.
Der Kinderhandel war im gewissen Sinn die Materialisierung des durch Jesus Christus gegebenen Versprechens der Erlösung der Menschen von der Erbsünde.

Eine Mutter, die ihr Kind liebt, kauft ihr Kind im Kinderfachhandel.


Im Traum sah ich dies und alles war so klar.

Der internationale Kinderhandel hatte für Alle nur Vorteile. Einige der ärmsten Ökonomien der Welt lebten im Jahr 2044 überwiegend von der Kinderproduktion.

Die Weltbank hatte in ihren Förderprogrammen für das Empowerment von Frauen über zwei Jahrzehnte gezielt Frauen bei diesen Schritt in die Selbstständigkeit unterstützt. 2044 ernährten nicht wenige Frauen in den ärmsten Ländern der Welt ihre Familien als freie Mitarbeiterinnen und Subunternehmerinnen der großen Kinderkonzerne.
Die Konzerne hatten dabei ein großes natürliches Interesse an der Gesundheit "ihrer Gebärerinnen". Denn nur gesunde Gebärerinnen produzierten gesunde Kinder.
Kranke Kinder waren nicht einmal mehr im Ramschhandel absetzbar.
Rauchen und Alkohol waren den Frauen strikt untersagt.
Früher trennten sich seriöse Konzerne jährlich von bis zu 25% der Frauen, die als Subunternehmerinnen für sie tätig waren, auf Grund inadäquater Verhaltensmuster. Neben dem Alkoholkonsum war der Hauptgrund unkontrollierter Geschlechtsverkehr. Doch auf Grund der engen Zusammenarbeit mit islamistischen und anderen neuen fundamentalistischen Religionsorganisationen war es 2044 gelungen diese Probleme in den Griff zu bekommen.
Und nicht wenige der Ökonomien im arabischen Raum hatten nach dem Niedergang des Ölexportes auf Kinderexport umgestellt.

Die Regelungen der Konzerne waren strikt auf Qualität ausgerichtet. Mit über Dreißig wurden die Frauen mit einer für die Verhältnisse ihrer Länder guten Abfindung freigesetzt. Inadäquate Säuglinge wurden aussortiert und den speziell hierfür eingerichteten Arbeitseinrichtungen der großen Religionsgemeinschaften übergeben, in denen diese Kinder eine einfache Schulung und Arbeit fanden.

Die Kriterien der Auswahl waren streng.

Nach kurzen Anlaufschwierigkeiten waren inzwischen Alle sehr zu Frieden mit dieser Form der industriellen Optimierung der Fortpflanzung.
Nur einige sektiererische Gruppen, die mit der modernen Gesellschaft nicht zurecht kamen, kopulierten weiter unkontrolliert in ihren dunklen Räumen.

Dabei war es doch viel sinnvoller, Kinder dort zu produzieren, wo es am billigsten war. Das waren 2044 Nordkorea und die Elfenbeinküste.
Natürlich waren auch Kinder aus Bangladesh günstig. Sie waren auf Grund des Überangebotes aber aus der Mode gekommen. Nach der letzten Flutkatastrophe waren sie auch noch zu Schleuderpreisen abgestoßen worden und damit hatten die Konzerne den Markt völlig ruiniert.
Welche wollte schon ein Kind aus dem Sonderangebot von Lidl. Beim Kinderkauf waren die Deutschen qualitätsbewusst.

Eine Deutsche Mutter achtet beim Kauf genau auf die Qualität des Kindes.


Durch die Zunahme der Nachfrage aus China zogen die Preise insgesamt an. Obwohl China einen erheblichen Teil seines Bedarfs durch den Inlandshandel abdeckte.

Dann wachte ich auf.

Ich war wieder im Jahr 2006. Im Traum hatte Alles so sinnvoll gewirkt. Ich schüttelte mich und roch an meiner Kakautasse.

Ich hatte nichts Ungewöhnliches zu mir genommen.

Im Wachzustand kam mir trotzdem Alles irgendwie etwas seltsam vor.

Schließlich würden Islamisten nie ihre Kinder verkaufen, es sei denn die Kinder würden dadurch zu Märtyrern und mit einer Jungfrau belohnt.
Das mit der Erbsünde und der katholischen Kirche erschien mir viel realitätsnäher, obwohl ich es nicht mehr genau nachvollziehen konnte.

Auch als Anarchistin stelle ich mir manchmal vor, ein Kind zu bekommen. Wie das Kind in mir wachsen würde.
Wie ich es lieben würde.
Wie ich es stillen würde.
Nur halte ich Mutterschaft für ein Konstrukt, und die Kapitalisierung der Kinderzucht für eine konsequente Fortsetzung heutiger Stereotype über Familienglück.

Ungläubige Anarchistin, die ich bin, sehe ich in der Familienpolitik und der Familienpropaganda vor allen eine Propaganda für die Optimierung der Kinderaufzucht für die kapitalistische Verwertung.
Die Familie und auch das Stereotyp von Mutterschaft ist für mich ein strukturelles Gewaltverhältnis, in dem Kinder als "Investition" in die Zukunft angesehen werden.
Bürgerliche Mutterliebe ist eine Disziplinartechnologie.

Warum ich das denke, vermutlich liegt das an meinem überhöhten Kakaukonsum.

Ihr seht an meinem Beispiel, was dauerhafter und wiederholter Kakaukonsum alles zur Folge haben kann.

Trinkt mehr Kakau.


Ada - Berlin/Hannover 2003 bis 2010 -


Fin


















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Und noch ein kurzer Text zu den Thema; Kinder & Zukunft






















Fußnoten

(1) Die unbefleckte Empfängnis betrifft die Geburt Marias, die Jungfrauengeburt betrifft die Geburt Jesus, die Begriffe werden von Laien manchmal verwechselt. Der Unterschied ist aber von substantieller Bedeutung für die katholische Dogmatik, und ohne diese Differenz ist das katholische Christentum mit der Marienverehrung an sich gar nicht zu begreifen.

"Die Kirche feiert heute die Unbefleckte Empfängnis der seligen Jungfrau Maria. Wenn Christus der Tag ohne Untergang ist, dann ist Maria dessen vor Schönheit strahlende Morgenröte.

Dazu auserwählt, die Mutter des fleischgewordenen Wortes zu sein, ist sie zugleich die Erstlingsfrucht seines Erlösungswerkes. Die Gnade des Erlösers Christus hat in ihr im voraus gewirkt, indem sie sie vor der Erbsünde und jedem Makel der Schuld bewahrt hat."


(Johannes Paul II - 8.12.2003 - Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria)

Aber auch Luther vertrat den Glauben an die unbefleckte Empfängnis bzgl. der Geburt Marias.

(zurück zum Text)


























Zuletzt aktualisiert 30.01.2021





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Kinder & Zukunft

Die Deutschen sterben aus, keine Kinder, keine Zukunft. In dieser und ähnlicher Form wird zur Zeit bzgl. Kinder und Zukunft Stimmungsmache betrieben. Gleichzeitig sieht die Zukunft vieler Kinder in Deutschland eher düster aus, wird doch die Verarmung breiter Bevölkerungsteile weiter vorangetrieben. Keine Kinder, keine Zukunft scheint erst einmal logisch, bei genaueren Hinsehen geht es hier aber um die Propaganda, keine Kinder von deutschem Blut, keine Zukunft. Dies ist aber die Fortsetzung des Rassedenkens des Faschismus.
Außerdem geht es nicht um KEINE Kinder, sondern um weniger Kinder. Falls die Bevölkerung auf der Erde in den nächsten zwei Jahrhunderten, in der Zukunft, um einige Milliarden abnimmt, wo ist das Problem?
Auf einen Kinderüberschuß angewiesen ist nicht die Zukunft, sondern die MilitaristInnen und KapitalistInnen der Gegenwart haben hier ein Interesse. MilitaristInnen brauchen weiter Kanonenfutter und KapitalistInnen brauchen ein Überangebot an Arbeitskräften um die Ausbeutungsspirale immer höher drehen zu können.
Keine Kinder als Kanonenfutter zukünftiger Armeen, keine Zukunft für das Militär.
Keine Kinder als überschüssige Arbeitskräfte, die zu Billiglöhnen ausbeutbar sind, keine Zukunft für den Kapitalismus.

Deshalb steht zu befürchten, daß die �Produktion' von Kindern in der Zukunft selbst nach kapitalistischen Gesichtspunkten organisiert werden wird.
Dem gilt es sich mit aller Macht entgegenzustellen, nicht auf Grund irgendwelcher Mythen natürlicher Mutterschaft, sondern um die damit verbundene Fremdbestimmung und Ausbeutung der Kinder der Zukunft zu verhindern und als Teil des Kampfes gegen Sexismus, gegen die Fremdbestimmung von Frauen, die sich entschließen ein Kind zu bekommen, durch Medizin, Recht, Staat und Männer.