Kunstpranger

Ein KUNST- & POLITIK-Konzept für den Öffentlichen Raum

Der Pranger als Artspace


Aufbau: Ein Käfig - mindestens in der Größe, dass ein Mensch hineinpasst - wird im Öffentlichen Raum platziert. Im Käfig ist ein gesellschaftskritisches Kunstwerk zu sehen, das ausgeblendete oder nicht ausreichend beachtete Themen aufgreift oder mangelnde Handlungsbereitschaft u.a..

Der Kunstpranger ist ein Käfig in dem Kunst präsentiert wird, die damit am Pranger steht, und gleichzeitig ist der Kunstpranger ein Ort, in und durch den die Kunst gesellschaftliche (strukturelle) Gewaltverhältnisse anprangert und konkrete politische Fragen aufwirft. Ein Kunstpranger kann von unterschiedlichen Gruppen an unterschiedlichen öffentlich genutzten Orten errichtet werden. Der Käfig kann im öffentlichen Raum aufgehängt werden, er kann flexibel auf einem Anhänger angebracht sein, der beweglich ist und z.B. auch durch die Straßen gezogen werden kann, oder er kann sogar mit mehreren Personen tragbar sein. Der Kunstpranger kann für eine einmalige Aktion genutzt werden oder als längerfristige Installation mit unterschiedlichen Themen bestand haben. Im Idealfall gibt es gleichzeitig an unterschiedlichen Orten Kunstprangergruppen, die sich untereinander vernetzen. Zentral ist die bewusste Rückeroberung des öffentlichen Raumes und die Verweigerung der Musealisierung von Kunst.

Denkbar ist eine Verknüpfung des Kunstprangers mit weiteren Aktionen, öffentlichen Lesungen am Kunstpranger, ein Zug mit Kunstpranger durch die Innenstadt in entsprechender (Ver)Kleidung, Filmvorführungen im öffentlichen Raum, usw..


Der Kunstpranger versteht sich

- Als bewusste Aktion der Rückeroberung des Öffentlichen Raumes gegen die Zunahme von Repression, Einhegung und Umwandlung des Öffentlichen Raumes in Konsumzonen, wenn umsetzbar ohne Erlaubnis 'Reclaim the Streets'.

- Als politische Kunst 'Sonst Seid Ihr Tapete!'

- Als Kunstaktion wider den Genie- und Heroenkult, die aus einer Gruppe heraus Kunst realisiert und gleichzeitig durch die konkrete Radikalität den männlichen Radikalitätshabitus ironisch dekonstruiert 'Die Eiterpickel aufstechen'.

- Als Teil eines radikalen Alltagswiderstandes gegen Gesellschaftsverhältnisse, die Menschen kaputt machen 'Diskursterrorismus'.

- Als explizit gewaltfrei, da er als Kunstaktion gerade die Gewaltverhältnisse aufdeckt um sie zu unterminieren 'Antisexistisch, Antirassistisch - Benennen, was Menschen kaputt macht'.


Umsetzung

- Zuerst muss sich eine kleine Gruppe zusammenfinden, die gemeinsam das Konzept umsetzen will. Sie müssen klären was sie inhaltlich machen wollen und wie sie dies künstlerisch umsetzen.

- Dann muss entschieden werden, wo der Kunstpranger zum Einsatz kommt, es kann durchaus Sinn machen aufs Land zu gehen oder in eine Kleinstadt. Erstens ist in Großstädten der Aufmerksamkeitswert viel geringer, zweitens ist in Großstädten die Polizist*innendichte wesentlich höher. Außerdem macht es durchaus Sinn den eigenen Kiez mal zu verlassen. Ein beweglicher Kunstpranger kann auch an unterschiedlichen Orten zum Einsatz kommen.

- Für gesellschaftskritische Kunst im Öffentlichen Raum macht es dann Sinn weitere Gruppen mit Bezug zum Thema einzubinden, falls dies vom Aufwand her leistbar ist, seien es kleinere politische Initiativen vor Ort, Theatergruppen, Slampoetry, usw. oder ein Kulturzentrum oder Teile der Stadtgesellschaft. Gemeinsam könnte dann ein inhaltliches Rahmenprogramm - öffentliche Lesungen, Straßentheater, Diskussionen, usw. - gestaltet werden.

- Dann muss die Gruppe - evtl. mit Kooperationspartner*innen - klären, wie der konkrete Pranger aussehen soll und wo dies stattfinden soll. Eine Möglichkeit ist ein fester Ort für den Kunstpranger. Wird der Käfig aufgehängt - klassisch wäre dafür der Rathausplatz - bedarf es dafür Genehmigungen und die Sicherheit muss gewährleistet sein - vom Käfig darf keine Verletzungsgefahr ausgehen -. Dies dürfte an zentralen Plätzen fast nur mit Unterstützung wohlgesinnter Kooperationspartner*innen aus der Stadtpolitik durchsetzbar sein und die Verwaltung wird mit hoher Wahrscheinlichkeit dies massiv blockieren. Trotzdem kann dies Sinn machen, da damit bereits ein Diskussionsprozess in Gang gesetzt werden kann.
Einfacher umzusetzen dürfte dies auf Privatgrundstücken oder Universitäts eigenen Flächen sein - insbesondere dann, wenn der Pranger aufgestellt und nicht gehängt wird -. In jedem Fall sind hier aber Verhandlungen mit Kooperationspartnern notwendig.
Eine Alternative bietet ein flexibler Kunstpranger auf einem Anhänger oder zum Tragen - vergleichbar einer Sänfte -. Je nach Bauart kann dieser sogar ohne Genehmigung im ganz normalen Straßenverkehr genutzt werden - z.B. ein Anhänger, der gezogen wird -. Zu beachten sind hier höchstens versammlungsrechtliche Einschränkungen bei größeren Aktionen und die Straßenverkehrsordnung. Der Käfig sollte aber für die gute Sichtbarkeit möglichst hoch stehen. Ein beweglicher Käfig hat auch den Vorteil, dass Schäden durch Vandalismus vermieden werden können. Darüber hinaus kann mit einem Käfig, der von einer größeren Gruppe Menschen in Verkleidung getragen wird (Z.B. mönchsartige Kutten), schon durch die Aktion ein Aufmerksamkeitswert erreicht werden.

- Wichtig ist auch die Dokumentation sowohl der Reaktionen, als auch der staatlichen Stellen, sinnvoll ist es auch diese Auseinandersetzungen und ihre Dokumentation als Teil des Prozesses zu behandeln. Gerade die Öffentlichkeitswirkung von Zensurmaßnahmen kann genutzt werden um Diskussionsprozesse in Gang zu setzen (Streisand-Effekt).

- Parallel ist denkbar den Käfig auch als Augmentet Reality Kunstwerk abzubilden, falls hier technische Möglichkeiten bestehen. Das virtuelle Käfigabbild könnte dann beliebig 'platziert' werden, z.B. im Rathaussaal. Dies ist aber kein Ersatz für das physische Projekt. Zentral ist die Umnutzung des physischen öffentlichen Raumes.


Ideen Kunst


Die folgenden Ideen sind nur dazu gedacht, um an Beispielen das Konzept inhaltlich konkreter auszuführen. Ihr könnt diese Ideen sowohl aufgreifen und abwandeln, als auch sie unbeachtet lassen und Eure eigenen Inhalte und Umsetzungen entwickeln. Im Gegensatz zum vorhergehenden, sind dies nur Beispiele keine Strukturelemente des Konzeptes. Die Ideen sind frei nutzbar, für alle, die sie aufgreifen wollen.

- Frischfleisch


Im Kunstpranger Barbies mit Fleisch an den Füßen aufgehängt an Fleischerhaken - blutendes Fleisch -. Eine Aktion zum Semesterbeginn insbesondere an technischen Universitäten zur Kritik der Reduktion von Frauen auf Körper und der Körper auf Waren. Dazu Artikel / Textfragmente mit dem abwertenden Begriff 'Frischfleisch'. Begleitet mit Aktionen und inhaltlichen Veranstaltungen zur Kritik des warenförmigen Blicks auf Frauen.

- 'Fight Comsumerism'


Eine Aktion für den vierten Advent. Der Kunstpranger wird auf einem Leiterwagen montiert. Im Pranger/Käfig sitzt ein elendiger Weihnachtmann. In einem Zug begleitet von Menschen in schwarzen Kutten mit Kapuzen wird dieser dann durch die Innenstadt zum Richtplatz gezogen. Der Aufmerksamkeitsfaktor kann durch Trommeln, Pestglocken verstärkt werden. Auf dem Richtplatz wird eine lebensgroße Weihnachtsmannpuppe symbolisch geköpft. Der geköpfte Weihnachtsmann wird dann im Kunstpranger zur Schau gestellt.
Die Aktion sollte durch inhaltliche Veranstaltungen zur Kritik des Konsumismus begleitet werden. Sie könnte außerdem filmisch aufbereitet werden inklusive Verurteilungsbekanntgabe. Als Bildematerial für Aufkleber 'Köpft den Weihnachtsmann' usw. zur Veranstaltung wären tote Elche oder der Weihnachtsmann mit Sack über dem Kopf denkbar. Auch ein passender Film über Schokoweihnachtsmänner - zuerst Silberpapier vom Kopf abmachen, dann Sack drüber binden, dann mit Beil Köpfen - dann weitere Weihnachtmänner hinrichten - wäre als Teaser einsetzbar.

- 'Das Modell des Menschen'


Im Kunstpranger wird ein menschengroßer Affe als 'Schmerzensmann' dargestellt - also hängend ans Kreuz genagelt, eventuell mit Jesusfigurengesicht. Ergänzt werden könnte auch dieses Projekt um eine (K-Freitags)Prozession mit Affe am Kreuz. Ein Projekt zur Infragestellung der Selbstüberhöhung des Menschen.

- Wir sind alle gegen Kindesvergewaltigung


Kunstwerk / Figurenensemble Mann-Kind 'Papie hat Dich lieb'. Dazu diverse Kurztexte zu Thema sexueller Gewalt gegen Kinder. Ein Projekt um den verlogenen Umgang mit dem Thema anzuprangern, der primär auf Fremdtäter fokussiert, obwohl die weit überwiegende Zahl der TäterInnen aus dem Nahumfeld stammt. Die konservative hierarchische Familie zusammen mit der Tabuisierung von Sexualität führen gerade dazu, dass Kinder Opfer werden. Rechtspopulistische Parteien instrumentalisieren das Thema, obwohl sie real durch ihre Familien- und Sozialpolitik die Problemlage verschärfen. Sie erhöhen sowohl innerhalb von Familien die Vulnerabilität der Kinder durch Restauration der Abhängigkeitsverhältnisse, als auch die Vulnerabilität von Kindern gegenüber Fremdtätern. Kinder werde insbesondere in Situationen ohne ausreichenden Schutz Opfer von Fremdtätern, d.h. z.B. in Elends-, Bürgerkriegs- und Fluchtsituationen. Wer wirklich Kindern helfen will, müsste zuerst einmal die soziale Lage dieser Kinder absichern.

Dies alles sind Ideen, die kritisiert, verändert und abgewandelt werden sollten insbesondere unter Berücksichtigung eigener Ziele und Belastungsgrenzen - z.B. auch zeitlich -. Die meisten Themen sind komplex und lassen immer auch vieles an Kritik offen. Der Kunstpranger als Artspace kann aber ein Thema nur aufgreifen und es nicht umfänglich behandeln. Hier ist immer abzuwägen, wo das Sinn macht. Außerdem ist, falls möglich, die Organisation von Begleitveranstaltungen sinnvoll. Und dies sind, wie ausgeführt, nur Beispiele, die Ihr aufgreifen könnt, aber nicht müßt.


Begriffe und Kunstkonzept Kunstpranger, stehen unter einer Creative Commons Lizens - CC NC SA -. Sie dürfen unter den Voraussetzungen dieser Lizenz - d.h. keine kommerzielle Nutzung und Freistellung der Ergebnisse - ohne Einschränkung genutzt werden. Dies ist eine explizite Aufforderung zur Übernahme und Weiterentwicklung des Konzeptes. Ich würde mich freuen.


Ada Frankiewicz - Hannover, 2018 -


Fin











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Der Text steht unter der Lizenz: Lizenz Creative Commons (CC NC SA) -.




Zuletzt aktualisiert 30.01.2021





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