Der wirkliche Sinn von Langzeitstudiengebühren



Eine Forderung, die seit Jahren wiederholt wird, ist die nach der Erhöhung der Studierendenquote in Deutschland. In fast allen europäischen Ländern studiert ein höherer Prozentsatz im gleichen Alter.

Nina ist überzeugt, dass die Politik nun zumindest für die nächsten 12 Jahre eine Lösung gefunden hat, die zwar nicht die Studierendenquote, aber die Anzahl der Studierenden massiv erhöhen wird. Durch die Streichung der 13ten Klassenstufe der Schulzeit stieg nämlich an vielen Universitäten die Zahl der Einschreibungen zum Studium stark, da dadurch in einem Jahr zwei Jahrgänge mit dem Studium begannen. Um diese hohe Zahl an Einschreibungen zumindest für 12 Jahre zu halten, müßten nun nur konsequent weitere Schuljahre gekürzt werden. In 11 Jahren würden Kinder dann nach der ersten Klasse ihr Studium beginnen.
Dies würde nicht nur zur gewünschten hohen Anzahl an Studierenden führen, sondern auch die Ausbildungszeiträume wünschenswert verkürzen. Und außerdem würden gleichzeitig viele Probleme, die heute in der Schulausbildung bestehen, beseitigt, da diese erst in höheren Schuljahren auftreten. Und die Länder könnten Lehrkräfte in erheblichen Maß einsparen.

Ausgehend von dieser Politik begreife ich nun auch die Förderung eines Kurzzeitstudiums und die Bestrafung von Langzeitstudierenden durch Langzeitstudiengebühren, die sonst in vielerlei Hinsicht gar keinen Sinn macht (Langzeitstudiengebühren). Kleinen Kindern von 6 bis 7 Jahren ist kaum ein Studium über 5 oder 6 Jahre zumutbar, ein Kurzzeitstudium ist für sie das einzig richtige. Die unterschiedlichen Maßnahmen der Bildungspolitik sind also durchdacht aufeinander abgestimmt.

Eine Bekannte, die im AStA einer Universität mitarbeitet, meinte aber, Nina hätte da etwas mißverstanden.

Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob die Mathematikprofessorin, bei der ich studiert habe, es schaffen würde, ihre Vorlesung auf Rechnen mit Bauklötzen umzustellen. Aber dafür gibt es dann sicher Weiterbildungsmaßnahmen.


Ada - Hannover/Berlin, 2003 bis 2018 -


Fin











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Und noch ein kurzer Text über; Langzeitstudiengebühren

























Zuletzt aktualisiert 30.01.2021





Langzeitstudiengebühren. Ein Text über die Doppelzüngigkeit der Bildungspolitik, über; Langzeitstudenten Langzeitstudierende ALDI-Uni Universität Leistungsideologie Langzeitstudium Teilzeitstudium gesellschaftliche Verantwortung Studium käufliche Wissenschaft
















Langzeitstudiengebühren

Als die Regierung Albrecht Ende der 1980er Jahre versuchte in Niedersachsen Langzeitstudiengebühren einzuführen scheiterte sie am Widerstand der Studierenden. Die Studierendenproteste waren ein Grund für ihre Abwahl. Die nachfolgende erste rotgrüne Regierung in Niedersachsen lehnte Langzeitstudiengebühren explizit ab. Die Langszeitstudiengebühren waren damit erst einmal vom Tisch.
Selbst der Presse war zu diesem Zeitpunkt klar, dass auch Langzeitstudiengebühren falsch sind.

- Langzeitstudierende waren z.B. Studierende mit Kindern, Langzeitstudiengebühren führten also zur Diskriminierung von jungen Eltern.

- Langzeitstudierende waren, Studierende, die sich Zeit nahmen um die Welt kennenzulernen, ihre Sprach- und Kulturkenntnisse durch umfangreiche Auslandsreisen erweiterten, dieser freiheitliche nicht disziplinatorisch überformte (im Gegensatz zum Auslandsstudium) internationale Austausch wurde durch Langzeitstudiengebühren unterbunden.

- Langzeitstudierende, waren Studierende, die sich auch für Fachgebiete links und rechts ihres eigentlichen Studiums interessierten, Studierende, die den Ansatz der Interdisziplinarität ernst nahmen. Auch das interdisziplinäre Denken und intellektuell interessiertes Studieren über den Tellerrand eines Schmalspurstudiums hinaus wurde durch Langzeitstudiengebühren unterbunden.

- Bei einem Teil der Langzeitstudierenden handelte es sich auch um Studierende, die Schwierigkeiten hatten im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, das Langzeitstudium ermöglichte ihnen einen langsamen Übergang bei Erhalt ihrer Qualifikation. Durch die Langzeitstudiengebühren wurden diese Studierenden in die Sozialhilfe, mit entsprechenden Folgekosten für Gesellschaft, den Staat und die Betroffenen, abgedrängt.

- Langzeitstudierende waren Studierende, die sich politisch engagierten und zur Vermittlung von wissenschaftlichen Wissen in die Bevölkerung hinein wesentlich beitrugen (z.B. in der Anti-AKW-Bewegung / in Wissenschaftsläden / usw.). Langzeitstudiengebühren richteten sich als Disziplinarmaßnahme direkt gegen diese Öffnung und Demokratisierung der Wissenschaft in die Bevölkerung.

- Langzeitstudierende kosteten die Universität in der Regel nicht mehr als andere Studierende, da es sich bei ihnen meist um Teilzeitstudierende handelte. Das Kostenargument für die Einführung der Langzeitstudiengebühren war falsch und dies war Allen bewußt.

All diese Argumente wurden von niedersächsischen PolitikerInnen und den Mainstreanmedien Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre auch anerkannt, unter anderem deshalb scheiterte die Regierung Albrecht mit ihrem Versuch der Einführung von Langzeitstudiengebühren. Auch Gerhard Schröder kannte und nannte all diese Argumente gegen Langzeitstudiengebühren und gewann damit die Wahl, dies hinderte ihn aber nicht eben dieselbe Politik der Einführung von Langzeitstudiengebühren 10 Jahre später selbst wider besseren Wissens rechtspopulistisch zu betreiben. Die Medien schalteten sich selbst gleich, kritische Kommentare wurden zensiert (daß heißt, kritische Kommentare von JournalistInnen wurden in den Redaktionen kassiert bzw. die JournalistInnen gezwungen sie umzuschreiben).

Die Art und Weise der Einführung von Langzeitstudiengebühren zeigt deutlich, daß parlamentarische Demokratie nur begrenzt funktioniert. Das eigentlich Ziel der Langzeitstudiengebühren, die Einführung eines Schmalspurstudiums und die Verschlechterung der Ausbildung eines erheblichen Teils der Studierenden, um sie leichter am Arbeitsplatz zu schlecht bezahlten Konditionen vernutzen zu können, wurde gar nicht benannt, statt dessen wurden bewußt falsche Aussagen vorgeschoben. Eine öffentliche Auseinandersetzung wurde beim zweiten Anlauf zumindest in den großen Medien unterbunden.

Widerstand muß von Unten direkt organisiert werden, nur dann gibt es überhaupt eine offene und freie Diskussionen und eine politische Auseinandersetzung.

Die meisten haben sicher schon mal ein Teil der folgenden Sätze gehört:

'Immer komplexer werdenden Entscheidungsprozesse erfordern auf der Ebene der Betroffenen vermittelnde Aktive mit einer immer höheren fachlichen Kompetenz und der Bereitschaft und zeitlichen Flexibilität, zu zeitaufwendigem politischen und sozialen Engagement, um die Partizipation an demokratischen Entscheidungsprozessen zu gewährleisten. Die Gesellschaft ist für die Sicherstellung demokratischer Entscheidungsprozesse auf ein größer werdendes Potential von Menschen mit einem hohen Maß an freier Zeit, fachlicher Kompetenz und der Bereitschaft zum politischen und sozialen Engagement angewiesen.'

'Die Veränderung der Familienstruktur hin zu einer gleichberechtigten Verantwortlichkeit für Haushalts- und Familienarbeit erfordert Menschen mit der Bereitschaft für längere Zeiten die beruflichen Interessen hinten an zu stellen, ohne auf ein Arbeitsverhältnis oder Studium ganz zu verzichten.'

'Die zunehmenden Wechselwirkungen von Naturwissenschaft, Technologie und Gesellschaft erfordern StudentInnen, die sich in ihrem Studium nicht auf den schmalen Horizont eines Faches beschränken.'

'Die Globalisierung erfordert Menschen, die sich neben ihrer fachlichen Ausbildung ausreichend Zeit nehmen interkulturelle Erfahrungen zu sammeln, z.B. durch nicht touristische und nicht auf das Enge Feld der Universitäten bezogene längere Aufenthalte im Ausland.'

'Als ein Problem der Wissenschaft und der universitären Ausbildung hat sich außerdem im letzten Jahrzehnt der Verlust des Bezuges zur gesellschaftlichen Alltagsrealität verstärkt. Notwendig sind deshalb StudentInnen, die sich neben ihrem Studium ausreichend Zeit für andere Dinge nehmen und seien das Arbeitsverhältnisse.'


Langzeit- und TeilzeitstudentInnen haben über Jahre diese Forderungen erfüllt. Langzeit- und TeilzeitstudentInnen haben:

- Ihr Studium mit politischem und sozialem Engagement verknüpft;

- Sich die Zeit genommen, ihr Fachwissen auf der Metaebene auf einfließende gesellschaftliche Vorurteile, Rassismus, Sexismus, u.a. hin zu untersuchen und die Wissensproduktion in gesellschaftlicher Verantwortung zu praktizieren;

- Studium und Arbeit mit gleichberechtigten, sozial verantwortlichen neuen Formen der Familienorganisation in Übereinklang gebracht;

- Ein interdisziplinäres Studium betrieben;

- Sich die Zeit genommen, um sich auf Reisen interkulturelles Wissen anzueignen;

- Parallel zum Studium gearbeitet und so eine enge Verknüpfung des Studiums mit realer Alltagspraxis hergestellt.