Der Busfahrer ist Schuld!


Mia, eine frühere Freundin von mir, war vor einigen Tagen in einen Verkehrsunfall verwickelt. Sie hatte beobachtet, wie zwei wild spielende Kinder einer alten Frau mit Rollator bedenklich nahe kamen. Kurzentschlossen hat sie die Kinder auf die Straße geschubst. "Sonst hätten sie sicher die alte Frau umgerannt und diese wäre an den Komplikationen eines Oberschenkelhalsbruches gestorben." Das war zumindest ihre Begründung. Leider sind die Kinder von einem Bus überfahren worden. Das tut ihr sehr Leid. Sie wirkte wirklich mitgenommen, als sie mir davon erzählte. "Aber ich musste das doch tun, ich kann doch nichts dafür. Hätte ich die alte Frau sterben lassen sollen." Das die Eltern dies anders sehen liegt nach Mia nur daran, dass die sich in Verschwörungstheorien verrannt haben. Dabei ist es doch ganz klar, der Busfahrer ist Schuld. Der Bus war weit genug entfernt und hätte bremsen können. Das bestätigen auch ZeugInnen.

Ihre Unschuld ist aus ihrer Sicht unzweifelhaft erwiesen. Und das einige Menschen anderes behaupten, liegt nur an den Fakenews, die überall verbreitet werden. Das die Kinder nun tot sind ist tragisch, aber sie hatte doch gar keine andere Möglichkeit als so zu handeln. Sie litt unter den Vorwürfen, die ihr im Internet gemacht wurden und suchte nun meine Zustimmung.

"Das ich wusste, dass der Busfahrer nicht bremsen würde, weil er immer zu schnell fährt und nie bremst, das ist doch völlig irrelevant. Schließlich kann ich doch nicht darauf Rücksicht nehmen, wenn jemand die Verkehrsregeln verletzt, dann würde ich mich ja erpressen lassen und wenn alle so handeln, würde bald niemand mehr Verkehrsregeln beachten." Sie sah kurz aus dem Fenster, dann redete sie weiter. "Natürlich war es schwer mit anzusehen, wie die Kinder in der Luft zerrissen wurden. Das war ganz schrecklich. Ich habe mir danach erstmal drei Tage frei genommen, um das zu verarbeiten und nun habe ich noch 10 Termine bei meiner Therapeutin. Das ganze belastete mich wirklich stark. Aber dafür haben diese Leute kein Verständnis. Es ist in dieser Gesellschaft nicht einfach zu richtigen Entscheidungen zu stehen."

Besonders die Eltern verhielten sich aus der Sicht von Mia völlig unverständig. Das Leben der alten Frau schien ihnen überhaupt nichts zu bedeuten. Sie hätten die Kinder einfach weiter auf dem Fußweg spielen lassen. Die Eltern hatten sogar eine Gruppe auf dem Telegrammmessenger aufgebaut, nur um sie zu verleumden. Aber gegen diese Hasskampagne würde sie vorgehen. Dazu hat ihr auch ihre Therapeutin geraten. "Diese Menschen müssen rechtzeitig in ihre Schranken verwiesen werden."

Ich wusste ehrlich nicht, was ich dazu sagen sollte, erwartete Mia ernsthaft, dass ich ihr zustimmen würde, aber so geht es mir in letzter Zeit häufiger mit früheren FreundInnen.


Ada - Hannover, 2022 -


Fin











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Zuletzt aktualisiert 30.07.2022





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