Revolutionärinnen haben es schwer


Eine Bekannte von mir ist dabei auf die Jungfraueninseln auszuwandern, um dort auf die sozialistische Revolution hinzuwirken. Sie glaubt, wenn die Inseln dann nach der Revolution alle Briefkastenfirmen in Volkseigentum überführen, dann können sie auf diese Weise Apple, Alphabet, Meta und letztendlich fast alle Großkonzerne weltweit inklusive der großen Kapitalverwaltungsgesellschaften in Besitz nehmen, um ausgehend von den Jungfraueninseln die sozialistische Revolution in den USA, Europa und anderen Teilen der Welt auszulösen. Das ist ihr Plan für die Weltrevolution. Ich habe Zweifel, dass dies funktioniert, obwohl die Steuerbehörden ja darauf bestehen, dass die Inseln souveräne Staaten sind und das ganze Konstrukt kein Betrug ist, um legalisiert Steuern zu hinterziehen. Trotzdem wünsche ich ihr viel Glück, interessant würde es auf jeden Fall sein, zu sehen, wie die USA und die EU damit umgehen.

Da ich jedoch nicht an den Erfolg glaube, habe ich ihr statt dessen geraten, sich in Grönland einen Job in einer der Reinigungskolonnen zu suchen, die dort die Serverfarmen putzen. Ein nicht unerheblicher Teil des Cloudcomputing weltweit findet auf Servern in Grönland statt, da dort aufgrund der niedrigen Temperaturen die Kühlung keine Energie erfordert und zusätzlich Wasserkraftwerke zur Energieversorgung günstig zu betreiben sind. Und da ein Großteil des gesamten Steuerungswissens für Produktionsprozesse, Handel und auch Finanzwirtschaft inzwischen in die Cloud ausgelagert wurde, beherrscht diejenige, die die Cloud beherrscht, auch die Welt. Es bedürfte also nur ein paar USB-Sticks und ein paar Viren an der richtigen Stelle und sie könnte als Putzfrau die Weltherrschaft übernehmen und den Kapitalismus verbieten. Nach Grönland wollte sie jedoch nicht. Dabei ist das aus meiner Sicht, ein viel realistischerer Plan. Nur müsste sie damit leben, dass sie als Putzfrau dann zukünftig als Inkarnation des Bösen gelten würde und nicht mehr der Joker. Und die Batmanfilme würden alle neu gedreht werden.

Trotzdem finde ich diesen Ansatz vielversprechender als fast alles, was sich die sozialistische Bewegung bisher ausgedacht hat. Nur habe auch ich keine Lust nach Grönland auszuwandern. Das Leben als Revolutionärin ist nichts für mich, obwohl Grönland durchaus seine attraktiven Seiten hat. Die Revolution wird noch weiter warten müssen, zumindest bis ich meinen Kakau ausgetrunken habe. Danach fällt mir sicher noch ein Ansatz für die Aufnahme des revolutionären Kampfes ein, mit dem auch ich mich identifizieren kann. Eine Möglichkeit wäre vielleicht, den Schlaf zur Waffe zu machen. Alle bringen ihre Kuschelkissen und -decken mit zur Arbeit und legen sich dann dort einfach Schlafen, falls von ihnen wieder irgendein Unsinn erwartet wird, Schlafen für die Revolution.


Ada - Hannover, Juni 2023 -


Fin











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Zuletzt aktualisiert 30.07.2022





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